Kleidung und KultgeräteAuch mit Hilfe der Geräte, die der Schamane während seiner Beschwörung benutzt, können die Geister gebannt oder vertrieben werden. Vor allem der Schamanentrommel und dem Trommelschlegel werden starke magische Kräfte zugeschrieben. Die Trommel ist, wie auch die gesamte Kleidung des Schamanen, häufig mit Symbolen und bildhaften Darstellungen geschmückt, die die Verbindung des Schamanen zu seinen mächtigen Vorfahren, bis hin zu den alten Stammestotems, und zu seinen Schutz- und Hilfsgeistern (ongon) zum Ausdruck bringen, welche ja, wie erwähnt, als die Seelen einstiger Schamanen oder anderer prädestinierter Persönlichkeiten gelten. Diese Schutz- und Hilfsgeister erscheinen dem Schamanen während der Extase als Wolf, als Hirsch, als Adler, als Uhu, als Schlange oder als anderes Tier und werden auf seinen Kultgeräten und der Kleidung entsprechend abgebildet.
Hirschkuh und Antilope: Die Schamanenkleidung ist bei den einzelnen ethnischen Gruppen unterschiedlich, doch spielt in der Symbolik der meisten der Hirsch eine besondere Rolle. Der Hirsch ist ein altes Stammestotem der Mongolen und anderer zentralasiatischer Nomadenvölker. Die Hirschmutter ist die mythologische Urahnin der Mongolen. Ihr Geweih wird symbolisch mit der Kopfbedeckung des Schamanen imitiert. Auch der Trommelschlegel, der sehr häufig aus einem Antilopenfuß besteht, ist vermutlich eine Reminiszenz an die Hirschmutter.
Der Däne Henning Haslund-Christensen war um 1930 Augenzeuge einer von einer Schamanin durchgeführten Geisterbeschwörung, bei der ein solcher Antilopenfuß zur Anwendung kam. Anschaulich schreibt er darüber in seiner Reisebeschreibung „Jabonah“(36): Ein Mongole war im Winter von einem Ausritt nicht zurückgekommen, und man fand ihn schließlich mehr tot als lebendig im Wald, wo er im Schnee festgefroren war. Man vermutete, dass er den Berggeistern kein Opfer gebracht und diese dadurch gegen sich aufgebracht habe. Die Mongolen, die ihn fanden, hatten Angst, sich ihm zu nähern, um ihn nach Hause zu bringen, weil es als gefährlich galt, in der Nähe zu sein, wenn die Seele eines Verunglückten den Körper verlässt. Schließlich holte Haslund-Christensen zusammen mit einigen anderen Männern den Verunglückten zurück, versorgte ihn mit Chinin u.dgl. und überließ ihn dann einer jungen Schamanin. Der junge Däne hatte großes Glück, dass er ihr bei der Beschwörung zusehen durfte, denn im allgemeinen war dies Fremden nicht gestattet. (Die Schutzgeister des Schamanen wünschen dies nicht.) Das Gewand, das die junge Frau von ihrem Vater geerbt hatte, der ebenfalls Schamane war, "war aus Antilopenfell mit verblichenen Seidenbändern, jedes das Zeichen eines siegreichen Kampfes gegen böse Geister – sowie mit Federn von unzähligen Vögeln, Glocken aus Messing und Eisen, Knochen, Tierschwänzen, langschnäbeligen Vogelschädeln und vielem anderen behängt. Bei der geringsten Bewegung klirrten und rasselten alle diese Dinge gegeneinander. Auf den Kopf setzte sie einen Federkranz, der in einen langen Schweif im Rücken auslief ..."(37)Die Schamanin warf ein Pulver ins Feuer, das entsetzlich stank, sprach magische Formeln und versetzte sich allmählich durch rhythmisches Wiegen des Oberkörpers in Extase. Dabei schlug sie mit einem Antilopenfuß auf die Trommel. Während des eigentlichen Kampfes mit den Geistern tanzte sie wie rasend ums Feuer, gab unartikulierte Schreie von sich, schnaubte wie ein Pferd, stieß langgezogene Pfiffe
(36) Henning Haslund-Christensen: Jabonah. Abenteuer in der Mongolei. Insel-Verlag Leipzig, o.J., 260 ff.
(37) ebenda 266.
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