Mongolische Literatur

näher eingegangen werden. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Publikationen von Taube und Michajlov(33) verweisen.)

Der Sitz der Seele

So diffus wie die Vorstellungen von der Anzahl der Seelen sind, die ein Mensch besitzt, ist die Vorstellung von ihrem Sitz. Verbreitet ist die Vorstellung, die Seele habe ihren Sitz in der Lunge. Daraus erklärt sich eine ganze Reihe schamanistischer Rituale. Ein Schamane muss seine Kleidung und seine Gerätschaften, vor allem die Trommel, von Zeit zu Zeit neu "beleben", das heißt, die ihnen innewohnenden magischen Kräfte erneuern. Das tut er u. a., indem er auf diese Gegenstände bläst. Über die burjatischen Schamanen berichtet Michailow, dass sie bei der "Belebung" der Kopfbedeckung, die bei ihnen aus einem Eisenring mit einem stilisierten Hirschgeweih besteht, die frische Lunge eines Opfertieres auf dieses "Geweih" schmieren.
Darüber hinaus war die Annahme verbreitet, dass der Körperteil, der die engste Beziehung zur Seele hat, das züld sei (altmong. jülde) sei, das bei den Burjaten hülde heißt. Dieses züld bezeichnet den Schädel mit der Luftröhre und der Lunge samt Leber und Herz, und es ist sicher interessant zu wissen, dass die alten Mongolen mit züld auch die Seele selbst bzw. eine der 3 vermeintlich existierenden Seelen bezeichneten. Schon in der "Geheimen Geschichte" gibt es Hinweise darauf, dass dieses Teil eine besondere kultische Bedeutung hatte.(34) Lange Zeit wurde bei Opferfesten das züld des Ofertieres herausgetrennt und verbrannt. Ebenso gab es bei den mongolischen Jägern einst genaue Vorschriften, wie man mit dem züld eines erlegten Bären umgehen musste, damit der Totengeist des Bären den Menschen kein Unglück brachte. Außerordentlich interessant scheint in diesem Zusammenhang ein Hinweis Gaadambas(35) auf einen Brauch, der bis vor kurzem in der Inneren Mongolei zu beobachten war. Wenn ein Schamane gestorben war, wurde sein Schüler zu seinem Nachfolger. Die Hilfsgeister seines Lehrers machte er sich dadurch dienstbar, dass er dem Toten den Kopf mit Herz, Lunge usw., also das gesamte züld, abtrennte, in die Zweige eines Baumes hängte und davor schamanisierte.

Dämonen
Der schamanistischen Konzeption zufolge entscheiden die individuellen Eigenschaften, die soziale Stellung und die konkreten Lebensumstände einer Person darüber, was nach ihrem Tode aus der Seele wird.
Schamanen wurden nach ihrem Tode häufig verbrannt oder auf Bäumen bestattet. Von manchen Schamanen wird erzählt, dass ihre Seele unmittelbar nach dem Tode in den Himmel aufgestiegen sei. Solche Seelen werden im allgemeinen zu Tenger oder anderen hochrangigen Himmelsbewohnern, genau wie die Seelen von Stammesältesten, berühmten Jägern und Heerführern. Andere Schamanen werden zu Edsen, d. h. zu Herrengeistern von Bergen, Höhen und Gewässern. Sie fungieren als Schutzgottheiten, sorgen für das Wohlergehen der Bewohner der betreffenden Gegend und werden von diesen verehrt. Den Schamanen stehen sie als Hilfsgeister zur Seite. Auch die Seele eines Menschen, der vom Blitz erschlagen wurde, steigt dem schamanistischen Glauben zufolge unmittelbar in den Himmel auf und wird ein Tenger. Seine Angehörigen galten wegen einer solchen Verwandtschaft als etwas Besonderes,

(33) E. u. M. Taube: Schamanen und Rhapsoden. Leipzig 1983; T. M. Michajlov: Izistorii burjatskogo
šamanizma. Novosibirsk 1980.
(34) E. Haenisch, Hg. u.Übers.: Die Geheime Geschichte der Mongolen. Leipzig 1948, 2.
(35) Š. Gaadamba: Nuuc tovčoony nucsaas. Ulaanbaatar 1976, 5f.

 Schamanismus bei den Mongolen 15 Schamanismus bei den Mongolen

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