Mongolische Literatur

unheimlich, weil sie ihn mit der Unteren Welt in Verbindung bringen. Als typische Tiere der Unteren Welt gelten auch Frösche und Schlangen. Auf Schamanentrommeln symbolisieren diese Tiere die Untere Welt schlechthin.
Die lus, die als Beherrscher der Gewässer der Mittleren Welt zugeordnet werden, gelten gleichzeitig als die hauptsächlichen Bewohner der Unteren Welt. Auch unter ihnen gibt es gute und böse, sogar solche, die sich zum Buddhismus bekannt haben (die "gelben" lus) und solche, die ihn ablehnen, also gewissermaßen Anhänger des Schamanismus sind (die "schwarzen" lus) Die lus leben in 33 Reichen, über die jeweils ein Chan herrscht. Sie haben wie die tenger vieles mit den Menschen gemein: sie werden geboren, sie heiraten, werden krank, altern, sterben.

Verbindungen zwischen den 3 Welten

Zwischen diesen 3 Welten gibt es, wie bereits angedeutet, keine strengen Grenzen. Ihre Bewohner haben zueinander freundschaftliche oder weniger freundschaftliche Kontakte, sie gehen miteinander sogar familiäre Verbindungen ein. In diesem Zusammenhang ist die Annahme von Bedeutung, dass die drei Ebenen durch irgendetwas miteinander verbunden sind und dass man über dieses Medium von der einen in die andere Welt gelangen kann.
Die einfachste Vorstellung von einer solchen Verbindung ist die eines Pfahls. Dort, wo er in den Himmel führt, ist eine Öffnung, die wir Erdenbewohner als Polarstern wahrnehmen können. Dem Himmelsloch genau gegenüber befindet sich eine andere Öffnung, durch die man in die Untere Welt gelangen kann.

Der Weltenbaum: Als Verbindung zwischen den drei Welten steht jedoch im kosmologischen Konzept der meisten zentralasiatischen und nordsibirischen Völker der Weltenbaum an erster Stelle. Seine Wurzeln reichen bis in die tiefsten Schichten der unteren Welt und seine Krone bis in die Nähe von Sonne und Mond. Abbildungen des Weltenbaumes finden sich relativ häufig auf Schamanentrommeln oder auf den Gewändern von Schamanen. Früher stellten sich die Schamanen oft einen hohen Pfahl als symbolische Darstellung des Weltenbaumes vor ihre Jurte oder ihr Haus, und schmückten ihn mit eingeschnitzten Schlangen, Drachen und anderen "Schamanentieren".(31) Oft begnügten sie sich auch mit einem einfachen Stock. Die Kasachen betrachten angeblich auch die Stützpfeiler ihrer Jurten als Symbol des Weltenbaums.
Diese Stöcke, Pfähle oder Pfeiler dienen den Schamanen gewissermaßen als Leiter, wenn sie im Zustand der Extase eine Reise in eine andere Welt unternehmen müssen, um mit Göttern zu verhandeln oder die verirrte Seele eines Kranken zurückzuholen. Angeblich haben die Schamanen in alle Welten Zugang, nur das Reich Erlegs ist für sie gesperrt. Wenn eine Seele erst einmal bei dem Höllenfürsten angekommen ist, kann der Schamane ihr nicht mehr helfen.

Die Vorstellung vom Weltenbaum bildet auch den Hintergrund für den Baumkult, der bei vielen zentralasiatischen Völkern verbreitet war oder noch ist. Bei den Mongolen ist er nur noch in Relikten bei einigen Volksbräuchen feststellbar. Der eigentliche Baumkult bezog sich auf solche Bäume, die durch ihre Größe auffielen oder solche, die in einer ansonsten baumlosen Gegend standen. Sie werden bei den Mongolen Schamaninnenbaum und bei den mongolischen Kasachen direkt Weltenbaum genannt. Hier wurden oder werden Opferrituale durchgeführt, kultische Tänze aufgeführt und wahrscheinlich auch Schamanen bestattet.

(31) vgl. J. Campbell, Mythologie der Urvölker. Die Masken Gottes. Basel 1991, 15.

 Schamanismus bei den Mongolen 13 Schamanismus bei den Mongolen

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