Mongolische Literatur

Im allgemeinen spricht man von 99 tenger, die in zwei Gruppen unterteilt werden; 55 bewohnen die westlichen und 44 die östlichen Sphären des Himmels. Die westlichen tenger sind dem Menschen wohlgesonnen. Sie beschützen ihn und tun ihm Gutes. An sie wenden sich die Schamanen im Namen der gewöhnlichen Menschen mit der Bitte um Glück und Wohlstand, um Segen für die Herden, um Jagdglück, um Schutz vor Krankheiten und Räubern und vieles andere mehr, sogar um Schutz gegen Läuse und anderes Ungeziefer.
Die östlichen sind den Menschen gegenüber oft grausam und müssen durch Gebete und Opfergaben beschwichtigt werden.
Daneben gibt es noch andere Konzeptionen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. So ist das Pantheon des burjatischen Schamanismus wesentlich umfangreicher und im Grunde nicht mehr zu überschauen. Die Burjaten unterteilen z.B. die westlichen Himmelsgottheiten noch einmal in 99 südliche, 55 westliche und 77 (?)(29)
Die Götter leben in 17 Himmeln oder – nach einer anderen Konzeption – in 33 Reichen, von denen jedes seinen eigenen Herrscher hat. Diese sind die eigentlichen tenger. Die Söhne der tenger sind ihren Vätern hierarchisch unterstellt. Sie tragen die Titel Chan, Nojon oder Zajan und treten oft als Vermittler zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Götter in Erscheinung.
Die Götter haben Familien, Behausungen, Vieh, sogar Hunde, sie feiern gern, kommen zu sportlichen Wettkämpfen zusammen und führen gelegentlich miteinander Krieg. Darüber findet man sehr schöne und anschauliche Berichte in den Schamanendichtungen, vor allem in der Schamanendichtung der Burjaten und – nicht zu vergessen – in den mongolischen Heldenepen.
Als das Oberhaupt der 99 tenger gilt der Vater Tenger oder Vater Ewiger Blauer Himmel. Interessanterweise verschmilzt er in der Vorstellung der Mongolen häufig mit einem anderen Gott namens Churmast, der den Titel eines tenger oder den eines Chans trägt. Dieser Churmast geht auf den zaroastrischen Feuer- oder Lichtgott Ahuramazda zurück. Wann und wie es zu dieser Adaption kam, ist noch ungeklärt. Churmast Tenger wird nicht nur von den Schamanen angerufen, sondern erscheint auch als eine ausgesprochen gütige Gottheit in den buddhistischen Erbauungsgeschichten der Mongolen des 17.-19. Jahrhunderts. Bei der mongolischen Bevölkerung erfreute er sich, zumindest in den letzten Jahrhunderten, annähernd der gleichen Popularität wie der Vater Himmel.
Im schamanistischen Himmel leben außerdem einige mythische Wesen wie der Vogelkönig Garuda, adaptiert aus der indischen Mythologie, und die Drachen, die Gewitter verursachen. Sie stammen wahrscheinlich aus der chinesischen Mythologie.

Die Mittlere Welt ist im wesentlichen mit der Erde identisch. Nach schamanistischen
Vorstellungen besteht sie, genau wie der Himmel, aus mehreren Schichten: 3, 9 oder 77. Dementsprechend spricht die Schamanendichtung auch von 77 Erdmüttern, die diesen Schichten zugeordnet werden.
Die mittlere Welt ist die Welt der Menschen, Tiere und Pflanzen. Außerdem halten sich
hier die meisten Totengeister auf, die Seelen der Verstorbenen, und unzählige daraus hervorgegangene ezen oder Herrengeister. Sie sind die Herren der verschiedenen Gegenden, der Berge und Hügel, der Gewässer, der Pflanzen und Tiere, des Handwerks, der verschiedenen Krankheiten – alles was man sich denken kann, wird von einem Geist beherrscht und ist durch ihn beseelt.

(29) vgl. T. M. Michajlov, a.a.O. 13.

 Schamanismus bei den Mongolen 11 Schamanismus bei den Mongolen

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