Mongolische Literatur

wurden ganze Berge solcher ongon zusammengetragen und verbrannt. Stattdessen wurden in den Jurten Darstellungen buddhistischer Gottheiten aufgestellt.
Wer einen Schamanen zu sich rief, um Geister beschwören zu lassen, und sich dabei ertappen ließ, wurde mit einer Strafe von zwei Pferden belegt. Adlige und hohe Beamte kostete ein solches Vergehen sogar bis zu fünf Pferde.(27)
Die Verbrennung von Schamanen, die sich den neuen Gesetzen nicht fügen wollten, stand auf der Tagesordnung, besonders unter dem oiratischen Chan Nama. Unter der Bevölkerung, die zum großen Teil noch mit ihren alten Schamanen sympathisierte, kamen Legenden über Wundertaten der verfolgten Schamanen auf, die diese dank ihrer übernatürlichen Kräfte vollbracht haben sollten. Eine dieser Legenden erzählt von einem Schamanen namens Tostogoš, der verbrannt werden sollte, aber mit Hilfe seiner Hilfsgeister das Feuer ganz und gar unbeschadet überstand.(28)
Um der Verfolgung zu entgehen, zogen sich viele Schamanen aus der Öffentlichkeit zurück. Andere bekannten sich pro forma zum Buddhismus (d. h. sie wurden "gelb") und schlossen nun in ihre Gebete und Beschwörungen auch lamaistische Gottheiten, Bodhisattvas und andere Heilige ein. Andererseits nutzten die Lamas die starke schamanistische Tradition und den Natur- und Geisterglauben der mongolischen Bevölkerung, indem sie bei den traditionellen Opferfesten für die Berggottheiten, die für die Mongolen eine Art Volksfest mit Essen und Trinken und sportlichen Vergnügungen darstellten, Rituale übernahmen, die früher von den Schamanen ausgeübt wurden. Solche ursprünglich schamanistischen Opferfeste werden auch heute noch – oder besser gesagt: seit einigen Jahren wieder – unter der Leitung lamaistischer Mönche durchgeführt.

Zur Weltanschauung des Schamanismus
Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, die Weltanschauung des Schamanismus ausführlich zu betrachten. Es soll nur kurz etwas über die schamanistische Kosmologie, über das schamanistische Pantheon gesagt werden, um auf die Vorstellungen von der Seele und vom Tod und schließlich auf die soziale Rolle des Schamanen als Helfer und Heiler eingehen zu können.

Aufbau der Welt

Wie bereits erwähnt, gelten als die ältesten Gottheiten der Mongolen, die wahrscheinlich schon in vorschamanistischer Zeit verehrt wurden, die deifizierte Erde, die Mutter Etügen, und der deifizierte Himmel, der Vater Himmel oder der Ewige Blaue Himmel. Sie gelten bis heute als die obersten Gottheiten des mongolischen Schamanismus. Um diese beiden herum wurde im Laufe der Zeit ein recht kompliziertes System aufgebaut, das in der heute bekannten Form starke Einflüsse der indischen und tibetischen bis hin zur persischen Mythologie zeigt. Danach gliedert sich die Welt in drei übereinanderliegende Bereiche (tiv, jertönc): Die Obere Welt, die Mittlere Welt und die Untere Welt.
Die Obere Welt ist der Himmel. Er ist vor allem der Wohnsitz der tenger (tngri), der Himmlischen. Die tenger sind z.T. sehr alte Gottheiten, z.B. deifizierte Gestirne, die der mongolischen Mythologie zufolge einst berühmte Recken und Jäger waren. Andere Götter verkörpern die Naturgewalten – Gewitter, Sturm, Hagel. Andere sind die Seelen berühmter Schamanen und anderer bedeutender Persönlichkeiten.

(27) vgl. Č. Dalaj: a.a.O. 29.
(28) vgl. ebenda.

 Schamanismus bei den Mongolen 10 Schamanismus bei den Mongolen

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