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Erstes
Kapitel: Tschingis Chaans
( Dschingis Khan, Chinggis Khaan, Genghis Khan)
Vorfahren
und seine Kindheit
Info: Dschingis Khan
Dschingis
Khan (ursprünglich Temüüdschin, Тэмүүжин: als „der Schmied“ bzw.
verschiedentlich auch als „der Eiserne“ übersetzt[1]; * wahrscheinlich
um 1155, 1162 oder 1167; † wahrscheinlich am 18. August 1227[2]) war
ein Khan der Mongolen, der die turko-mongolischen Stämme vereinte und
weite Teile Zentralasiens und Nordchinas eroberte. Seine Regierungszeit
als erster Großkhan der Mongolen dauerte von 1206 bis 1227. Er einte
die mongolischen Stämme der heutigen zentralen und nördlichen Mongolei
und führte sie zum Sieg gegen mehrere benachbarte Völker. Nach der
Ernennung zum Großkhan aller Mongolen begann er mit der Eroberung
weiterer Gebiete; im Osten bis an das Japanische Meer und im Westen bis
zum Kaspischen Meer. Um dieses Reich zu verwalten, ließ er eine eigene
Schrift entwickeln und setzte schriftliche und für alle verbindliche
Gesetze durch. Nach seinem Tod wurde das Reich unter seinen Söhnen
aufgeteilt und noch weiter vergrößert, fiel aber zwei Generationen
später wieder auseinander. Geschichte Situation der Mongolen Die
Mongolen siedelten ursprünglich im Nordosten der heutigen Mongolei,
zwischen den Flüssen Onon und Kerulen. Sie setzten sich aus nomadischen
Hirtenstämmen der Steppe sowie Jägern und Fischern der Waldgebiete
zusammen und waren in zahlreiche kleinere Gruppierungen zersplittert. Das
Weidegebiet war (und ist bis heute) Gemeineigentum, d. h. Besitzrechte
an Grund und Boden waren unbekannt. Trotzdem bestand aufgrund der
ungleichen Verteilung des Viehbesitzes eine frühfeudale Ordnung
innerhalb der einzelnen Stämme. Stammesübergreifend wurden die Führer
für Kriegs-, Raub- und Jagdzüge um 1200 noch von den Stammesfürsten auf
einer Kuriltai frei gewählt, aber es bildete sich in den
Einigungskämpfen jener Zeit eine Militäraristokratie heraus, die im
Laufe der Entwicklung der mongolischen Kriegführung sehr viel Macht
erlangte und deren Führungspositionen unter Dschingis Khan schließlich
erblich wurden. Herkunft und Geburt Der
mongolischen Legende nach standen am Anfang des Stammbaums von
Dschingis Khan (und damit auch aller Mongolen) ein Wolf und eine
Hirschkuh, die sich nahe dem heiligen Berg Burchan Chaldun am Ufer des
dort entspringenden Onon niederließen. Dieser Berg liegt etwa 170 km
östlich vom heutigen Ulan Bator und ist Teil des Chentii-Gebirges, in
dem auch die Flüsse Kerulen und Tuul entspringen. Dschingis Khan
gehörte zum Stamm der Mongghol, zum Klan der Borjigin (Wildenten-Leute)
und zum Unterklan der Qiyat, zu Deutsch Kijat. Er war der älteste Sohn
des Klanchefs Yesügai und seiner Frau Hoe’lun-Ujin (auch Üdschin). Er
war der Urenkel des legendären Mongolenfürsten Qabul (auch als Kabul
Khan bekannt), der um 1130–50 die mongolischen Stämme vorübergehend
vereinigt hatte, und erhielt von seinem Vater den Namen Temüdschin
(tatar.: „der Schmied“, falsch mit „der Eiserne“ übersetzt, in
englischer Transkription Temüjin). Dieser Name stammte nach alter
mongolischer Sitte von einem gefangenen Feind. In dem erst nach dem
Tode Dschingis Khans von seinem Sohn und Nachfolger Ugedai beauftragten
Epos „Die geheime Geschichte der Mongolen“ wird berichtet, dass der
kleine Temudschin bei seiner Geburt einen Blutklumpen in seiner rechten
Faust festgehalten habe, damals für die Mongolen ein prophetisches
Zeichen für Stärke und Willenskraft. Als Geburtsort gilt der Burchan
Chaldun am Oberlauf des Onon. Jugendjahre Zu
dieser Zeit waren die Klans der Steppe in ständige Kämpfe untereinander
verwickelt. Temudschins Vater Yesügai hatte durch Raubzüge gegen die
Tataren und Merkiten das Stammesgebiet stark vergrößert und Reichtum
und Wohlstand angesammelt. Bei einem dieser Überfälle raubte er sogar
Temudschins Mutter direkt vom Hochzeitswagen ihres merkitischen
Bräutigams und machte sie zu seiner eigenen Frau. In einer sorgenfreien
Kindheit lernte der kleine Temudschin schon früh das Reiten,
Bogenschießen und Jagen, die damals entscheidenden Fähigkeiten für das
Überleben in den Steppen Zentralasiens. Wie so oft bei Nomadenvölkern
galt auch dort das Gesetz des Stärkeren, der sich ohne Rücksicht nimmt,
was er gerade braucht. Deshalb drohte aber auch nach jedem Überfall und
Raub im Gegenzug die Rache des Unterlegenen, wie es Temudschin später
noch selbst erfahren sollte. Den Berichten nach als kleiner Junge
zunächst eher ängstlich und schüchtern, entwickelte er eine enge
Bindung zu seinem Schwurbruder Dschamucha, der später allerdings aus
Rivalität zu seinem erbittertsten Feind werden sollte. Temudschin
war neun Jahre alt, als sein Vater, wie damals bei den mongolischen
Nomaden üblich, mit ihm auf Brautschau ging. Im Lager eines
befreundeten Klans vom Stamme der Unggirat entdeckten sie ein kleines,
hübsches Mädchen namens Börte. Diese war die Tochter des
Stammesführers, bei dem sie um ihre Hand anhielten. Da dieser
einverstanden war, blieb der zukünftige Bräutigam nach altem Brauch für
einige Zeit bei seinen Schwiegereltern und freundete sich dort mit
seiner kleinen Verlobten an. Sein Vater ritt allein zurück und nahm
unterwegs die Gastfreundschaft von Tataren an. Diese erkannten ihn
jedoch als Oberhaupt des feindlichen Stammes und vergifteten ihn beim
Essen. Von einem Boten über den Tod seines Vaters unterrichtet, kehrte
Temudschin zu seinem Stamm zurück. Wegen seiner Jugend wurde er dort
jedoch nicht als Nachfolger seines Vaters anerkannt. Die ehemaligen
Gefolgsleute wandten sich von seiner Familie ab, die ganze Sippe löste
sich auf und er blieb als ältester Sohn mit der Mutter, seinen drei
halbwüchsigen Brüdern und einer kleinen Schwester zurück. Ohne den
Schutz des Stammes wurde ihnen nach und nach ihr gesamtes Hab und Gut
geraubt und sie lebten die nächsten Jahre in Armut. Zwischen ihm und
seinen Brüdern gab es häufig Streit, der schließlich darin gipfelte,
dass er seinen Halbbruder Bektar ermordete. Nach anderer Quelle tötete
er seinen Bruder im Streit um die Beute nach einem Raubzug. Für
andere Mongolenfürsten stellte er trotz seiner kläglichen
Lebensumstände und seiner Jugend allein auf Grund seiner
aristokratischen Abstammung dennoch eine Bedrohung dar und die Familie
musste immer wieder fliehen. Manchmal soll Temudschin in den Zeiten der
größten Bedrängnis Zuflucht am heiligen Berg Burchan Chaldun gesucht
haben. Auf einer dieser Fluchten wurde er schließlich von den Taijut
gefangengenommen, wie ein Sklave gehalten und aufs Tiefste gedemütigt.
Durch seine abenteuerliche Flucht aus dieser Gefangenschaft erlangte er
bei seinen Altersgenossen großes Ansehen. Er suchte und fand auch seine
Verlobte Börte wieder und konnte sie endlich heiraten. Einigung der Mongolen Temudschin
wusste, dass man in der Steppe nur überleben kann, wenn man mächtige
Verbündete hat. Durch geschickte Diplomatie gelang es ihm, seine Gegner
nach und nach für sich zu gewinnen oder auszuschalten. 1190 einte er
so die mongolischen Sippen, welche danach unter seiner Führung
begannen, die benachbarten Steppenvölker zu unterwerfen. Als Anreiz für
den unbedingten Gehorsam seiner Kämpfer versprach er ihnen reiche Beute
auf den noch kommenden Kriegszügen. 1201 gelang ihm ein Sieg über
seinen umtriebigsten Rivalen und ehemaligen Schwur- bzw. Blutsbruder,
den Gurkhan Dschamucha. Dieser konnte zunächst fliehen, verlor jedoch
einen Großteil seiner Gefolgschaft. Im verzweifelten Kampf gegen
Temudschin ging er ständig wechselnde Bündnisse mit Freund und Feind
ein. Seinen engsten Vertrauten wurde dieses aussichtslose Wechselspiel
schließlich zu viel und sie lieferten ihn an Temudschin aus. Der setzte
jedoch ein für ihn bezeichnendes Exempel. Da ihm nichts so verhasst war
wie Treulosigkeit und Verrat, ließ er die Häscher von Dschamucha und
all ihre Familienmitglieder töten. Seinem ehemaligen Blutsbruder bot er
hingegen erneut seine Freundschaft an und bat ihn, an seine Seite
zurückzukehren. Der konnte und wollte dieses großzügige Angebot nicht
annehmen und bat um einen standesgemäßen Tod, der ihm auch gewährt
wurde. Später besiegte Temudschin auch den Verräter Kushluq, der mit
den Kara-Kitai gegen ihn gekämpft hatte. 1202, nach einem Sieg über
die Merkiten im Norden, fühlte Temudschin sich stark genug, um sich an
den Tataren im Osten für den Tod seines Vaters zu rächen. In blutigen
Kämpfen besiegte er die vier Stämme der Tataren und nach den Angaben
der „Geheimen Geschichte der Mongolen“ ließ er bei den Besiegten nur
diejenigen am Leben, welche nicht größer als die Achshöhe eines
Ochsenkarren waren. 1203 schlug er die Keraiten unter Toghril Khan und
Nilkha und 1204 die Naimanen unter Tayang Baybugha im Westen. Damit
waren die letzten Hürden auf dem Weg zur uneingeschränkten Macht
überwunden. Ernennung zum Dschingis Khan und Veränderungen Im
Jahr 1206 berief Temudschin an der Quelle des Onon einen Reichstag ein,
den sogenannten Kuriltai. Dort wurde er von den anwesenden Schamanen
und Stammesfürsten zum „Dschingis Khan“, dem Großkhan aller Mongolen,
ernannt und mit dem Titel „ungestümer Herrscher“ (ozeangleicher
Herrscher) ausgezeichnet. Das ihm verliehene Hoheitszeichen, die weiße
Standarte, steht noch heute zusammen mit neun weiteren Standarten für
die damaligen Kernstämme des Reiches als Symbol des heutigen
mongolischen Staates im mongolischen Parlament. Die drei Zacken an der
Spitze der Standarte stehen stellvertretend für Mond, Sonne und Flamme
und sollen die Stärke der Mongolen symbolisieren. Dabei symbolisiert
der Mond die Vergangenheit, die Sonne die Gegenwart und die Flamme die
Zukunft des Mongolenreiches. Durch den Beschluss des Reichstags
entstand ein neuer Staat mit Dschingis Khan als unumschränktem
Herrscher und alleinigem Gesetzgeber. Die Regierung bildeten seine
Mutter, Brüder und Söhne. Von Repräsentanten anderer Völker lernte er,
wie man ein großes Reich verwaltet. Dazu befahl er seinem Sohn Ugedai,
die alten und neuerlassenen Gesetze in Form eines mongolischen
Grundgesetzes, der Jassa, aufzuschreiben. Dieses Werk formulierte eine
einheitliche Sammlung von strikten Geboten und Vorschriften, die das
Zusammenleben im neu gegründeten Mongolenreich regeln sollten. Dadurch
wurde die Willkürherrschaft der Stammesfürsten beendet und eine
wesentliche Grundlage für ein geordnetes Staatswesen geschaffen. Nach
anderer Quelle ließ er die Jassa von seinem schreibkundigen,
tatarischen Adoptivsohn Schigiqutuquals aufzeichnen und machte diesen
auch zu seinem obersten Richter. Als nächstes etablierte er eine
allgemeine Wehrpflicht und ernannte aus der Reihe seiner bisherigen
Gefährten Tausendschaftsführer zur Führung seiner großen Armee. Für
diese und andere Ernennungen war nicht mehr die Blutsverwandtschaft
oder Stammeszugehörigkeit entscheidend, sondern bedingungsloser
Gehorsam dem Khan gegenüber und besondere Tapferkeit in
vorausgegangenen Kämpfen. Der alte Stammesadel wurde weitgehend
entmachtet und durch zuverlässige Leute (Köcherträger) aus dem Militär
ersetzt. Unzuverlässige Stammesgruppen wurden aufgelöst. Diese
Maßnahmen bedeuteten einen revolutionären Bruch mit den bisherigen
sozialen Verhältnissen der Steppe. Die neue Ordnung ersetzte Verrat und
Betrug durch Disziplin und Gefolgschaft. Gelegentlich brachte
Dschingis Khan seiner Frau oder seiner Mutter einen kleinen Jungen aus
den jeweils unterworfenen Stämmen mit. Diese Kinder wurden von ihnen
adoptiert und wuchsen anschließend als gleichberechtigte
Familienmitglieder zusammen mit den leiblichen Söhnen des Khans auf. So
wuchs in seiner Jurte immer eine Gruppe junger, oft talentierter Männer
heran, welche ihm Dank und Loyalität schuldeten. Der neue Großkhan
stellte sich auch eine eigene Leibgarde von ca. 10.000 Soldaten auf.
Diese setzte sich aus den Söhnen oder Brüdern von Stammesfürsten und
Heerführern zusammen, welche einerseits als Krieger für ihn kämpften,
aber zugleich als Geiseln ein Faustpfand darstellten, um den
unbedingten Gehorsam des Steppenadels sicherzustellen. Zunächst
bildete seine streng organisierte und disziplinierte Armee das einzige
zuverlässige Machtmittel gegen die traditionelle Eigenständigkeit des
Stammesadels. Erst um 1220 kamen genügend ausländische Beamte in
mongolische Dienste, so dass man auch an eine Art Zivilverwaltung der
unterworfenen Völker denken konnte. Dschingis Khan war selbst
Analphabet, erkannte aber trotzdem die Bedeutung des Schriftwesens und
ließ darum für die Verwaltung seines Reiches eine eigene Schrift
entwickeln. So entstand die aus dem Uighurischen abgeleitete
Mongolische Schrift. Weitere Eroberungen Im
Anschluss an die Einigung des Reiches wandte sich Dschingis Khan der
Eroberung Chinas zu. Nachdem er 1209 die Tanguten unterwerfen konnte,
hatte er sich südlich der Großen Mauer ein Lager für weitere
Eroberungszüge geschaffen. 1211 führte er seine Truppen mit mehr als
100.000 Kämpfern Richtung Süden und Osten in das von der Jin-Dynastie
beherrschte Gebiet und drang bis zur Halbinsel Shandong vor. 1215 nahm
er nach einer erfolgreichen Belagerung Pekings Shandong ein und 1219
zahlte auch Korea an ihn Tribut. Im Jahre 1218 unterwarf der Khan das Kara-Khitai-Reich, das letzte verbliebene Steppenreich am Balchaschsee. Im
Westen wurde mit dem islamischen Choresmischen Reich in Persien ein
Freundschaftsvertrag geschlossen, doch der Friede währte nur kurz. Bald
darauf wurde dort eine mongolische Karawane überfallen und ermordet. Reichsversammlung/Nachfolgefrage Daraufhin
berief Dschingis Khan 1218 eine erneute Reichsversammlung ein, um einen
Vergeltungsschlag gegen dieses Reich im Westen und weitere Gesetze und
Direktiven zu beschließen. Gleichzeitig wollte er auch schon zu seinen
Lebzeiten die Nachfolgefrage klären. Sein ältester Sohn war Jochi (†
1227), der zweite Tschagatai († 1242), der dritte Ugedai († 1241), der
vierte Tolui († 1232). Zunächst entstand bei dieser Klärung ein
heftiger Streit unter den Söhnen und der älteste wurde von allen
anderen heftig beschimpft. Als dann jedoch einer von ihnen zur
Schlichtung den Vorschlag machte, Ugedai zum Nachfolger auszuwählen,
war Dschingis Khan sofort damit einverstanden, da sein mittelgeborener
Sohn als besonnen und großzügig galt. In diesem Sinne wurde also seine
Nachfolge auf dieser Versammlung vertraglich festgehalten und
andererseits auch ein Rachefeldzug gegen das Choresmische Reich
beschlossen. Rachefeldzug 1219/20
besiegten die Mongolen in Transoxanien die Truppen des choresmischen
Schahs. Buchara und Samarkand wurden erobert und der Schah Sultan Ala
ad-Din Muhammad starb auf der Flucht am Kaspischen Meer. Sein Sohn
Jelal ad-Din wurde 1221 am Indus besiegt und floh vorübergehend nach
Indien. Gründung von Karakorum 1220
bestimmte Dschingis Khan den Ort der späteren Stadt Karakorum (schwarze
Berge/schwarzer Fels/schwarzes Geröll), zunächst wohl nur als eine
besondere Residenz am Ufer des Orchon für seinen Aufenthalt im Gebiet
von Helin, so wie es für seinen Aufenthalt in anderen Gegenden seines
Landes schon ähnliche Residenzen gab. Der Orchon war und ist jedoch
die Lebensader der ganzen Region und an seinem Ufer lagen schon vor
Dschingis Khan die Zentren großer vergangener Steppenreiche. Durch die
Festsetzung seiner Residenz gerade an dieser Stelle stellte er sich
bewusst in die Tradition seiner Vorgänger. Zur Festigung seiner Macht
entwickelte sich Karakorum später zur ersten Hauptstadt des
Mongolenreiches und wurde unter seinem Nachfolger auch mit einer
Befestigungsanlage versehen. Für die Mongolen ist Karakorum noch heute
das historische Zentrum ihres Nationalstaates. Zur Ausübung von den
Nomaden bisher ungewohnten Tätigkeiten holte sich Dschingis Khan fremde
Handwerker und Künstler ins Land, insbesondere in die neue Hauptstadt.
Die Mongolen eigneten sich die Kenntnisse der Fremden aber im
allgemeinen nicht an, sondern sie ließen diese für sich arbeiten.
Einige der fremden Handwerker und Künstler kamen eher freiwillig,
andere wurden jedoch auch hierher verschleppt. Dschingis Khan und
seine Nachfolger zeigten in Karakorum neben ihren grausamen Kriegstaten
ein zweites, völlig anderes Gesicht. Durch ihre tolerante Haltung allem
Neuen und Unbekannten gegenüber wurde ihre Hauptstadt nicht nur die
Schaltzentrale der Reichsverwaltung und ein Zentrum des Handels und
Kunsthandwerks, sondern auch zu einem Schmelztiegel unterschiedlicher
Religionen, Kulturen und Völker. Feldzüge nach Osteuropa Etwa
zur gleichen Zeit (1220) griffen die Mongolen den Kaukasus und
Südrussland an und 1223 drangen die Truppen unter Dschebe und Subotai
sogar bis in die Ukraine vor. Dort besiegten sie die Russen in der
Schlacht an der Kalka. Bei all diesen Eroberungen ließ Dschingis Khan
seine Krieger ganz besonders grausam vorgehen, was ihren Ruf als Geißel
der Menschheit begründete. Tod und Nachfolge 1224/25
kehrte der Khan in die Mongolei zurück, mit dem Plan einer
Strafexpedition gegen die Tanguten. Auf dem Weg dahin starb er,
vermutlich am 18. August 1227. Die Todesursache ist nicht vollständig
geklärt, nach der verbreitetsten Darstellung erlag er den inneren
Verletzungen eines Reitunfalls. Laut der galizisch-wolhynischen Chronik
wurde er von den Tanguten getötet. Volkstümliche Überlieferungen
berichten auch von einer tangutischen Prinzessin, welche ihr Volk
rächen und ihrer eigenen Vergewaltigung zuvorkommen wollte, indem sie
ihn mit einem versteckten Messer entmannte. Seinen Bestattungsort
haben angeblich tausend Reiter mit den Hufen ihrer Pferde eingeebnet
und sie sollen nach ihrer Rückkehr sofort hingerichtet worden sein,
damit sie den genauen Ort niemandem verraten konnten. Bis heute wurde
das Grab trotz ausgiebiger Suche nicht gefunden. Allgemein wird
angenommen, dass er im Chentii-Aimag irgendwo am Südhang des Burchan
Chaldun begraben wurde, da dieser Berg eine wichtige Rolle in seinem
Leben gespielt hatte. Aber es drehen sich so viele Legenden um seine
Beerdigung, dass auch andere Grabstätten in Frage kommen. Mit
Sicherheit ausschließen kann man den Standort des Dschingis
Khan-Mausoleums bei Ordos in der Inneren Mongolei. Dabei handelt es
sich um eine Gedenkstätte mit einem leeren Sarg und nicht um ein
wirkliches Grab. Als Dschingis Khan starb, hatte sein Reich eine
Größe von 19 Millionen km² erreicht und war damit doppelt so groß wie
das heutige China. Es reichte nun vom Chinesischen Meer im Osten bis
zum Kaspischen Meer im Westen und ist bis heute der einzige
Nomadenstaat der Welt, der 200 Jahre lang Bestand hatte. Doch erst
unter seinen Nachfolgern sollte er seine endgültige Ausdehnung
erreichen und zum größten Weltreich in der bisherigen Geschichte der
Menschheit werden. Dschingis Khan hatte entgegen aller Tradition,
aber getreu seinem Grundsatz, dass Kompetenz und Eignung entscheide,
noch zu Lebzeiten auf der Reichsversammlung von 1218 den zweitjüngsten
Sohn Ugedai zu seinem Nachfolger bestimmt. Normalerweise trat in der
mongolischen Erbfolge sonst der jüngste Sohn die Nachfolge des Vaters
an und erbte dessen Besitztümer – abzüglich des Anteils der älteren
Söhne. Getreu der Vereinbarung wurde auf einem einberufenen Reichstag
1229 der neue Großkahn Ugedai Khan zum Herrscher aller Mongolen
ausgerufen. Außerdem wurden die unterworfenen Völker und ihre
Gebiete unter Tschagatai, Ugedai und Tolui sowie den Nachkommen des
verstorbenen vierten Sohnes Jochi aufgeteilt. Jeder bekam sein eigenes
Teilreich (Khanat). Gemeinsam vergrößerten die vier Familien das Reich
weiter, bis sie sich dann endgültig zerstritten (vgl. Stammliste der
Nachfahren Dschingis Khans). Wirkung bis heute Einigen
Quellen zufolge gab sein Sohn Ugedai noch vor 1240 die Geheime
Geschichte der Mongolen – eine Mischung aus Chronik und Epos – bei
Dschingis Khans tatarischem Adoptivsohn Schigiqutuquals in Auftrag, der
sie in mongolischer Schrift niederschrieb. Anderen Quellen zufolge hat
sie Ugedai selbst verfasst. Sie erzählt die Lebensgeschichte von
Dschingis Khan und nur der Familie des Khans war es gestattet, sie zu
lesen. Dieses Werk war jahrhundertelang verschollen. Erst 1866 wurden
in chinesischer Zeichenschrift verfasste Abschriftteile in einer
Bibliothek in China gefunden. Das Original in mongolischer Schrift ist
bis heute nicht wieder aufgetaucht. Die Geheime Geschichte stellt
heraus, dass Dschingis Khan aufgrund seines Werdeganges höchsten Wert
auf die persönliche Treue und Loyalität der Menschen gegenüber ihrem
Herren oder ihren Freunden legte. Die Völker, denen er Leid und Tod
brachte, charakterisieren ihn als grausamen Schlächter, und er gilt bis
heute als einer der größten Massenmörder in der Geschichte der
Menschheit. Doch brachte sein gewaltiges Reich seinen Bewohnern für
eine lange Zeitspanne Sicherheit und Frieden. Außerdem war er in
religiösen Dingen sehr tolerant und bereit, jeder Glaubensrichtung und
jeder Staatsphilosophie sein Ohr zu leihen. Gegen Ende seines Lebens
begriff er offenbar, dass seine Regierungsprinzipien nicht die einzig
gültigen waren und setzte Berater wie den Kitan Yelü Chucai und den
Choresm-Türken Machmud Jalatwatsch in Spitzenpositionen ein, um sein
Reich umfassend zu organisieren. Allerdings trug dieses Bemühen erst
nach seinem Tod unter seinen Söhnen und Enkeln Früchte. Dschingis Khans
Reich wurde weiter ausgebaut und war gegen 1260 im Inneren so gut
organisiert und befriedet, wie es für die meisten seiner Territorien zu
keiner anderen Zeit der Fall war – ein Zustand, der auch Pax Mongolica
genannt wird. Damals umfasste es etwas über 33 Millionen km². Im
asiatischen Raum zwischen Pazifischem Ozean und Kaspischem Meer ist bei
ca. 8% der männlichen Bevölkerung eine gemeinsame genetische Signatur
im Y-Chromosom feststellbar. Forscher datierten den Ursprung dieses
Merkmals zwei bis drei Generationen vor Dschingis Khan. Es wird darum
angenommen, dass er und seine nahen männlichen Verwandten für seine
ungewöhnlich starke Verbreitung verantwortlich waren.[3] Militärorganisation Die
mongolische Armee war nach dem Dezimalsystem organisiert. Die Truppen
wurden in Zehnerschaften geordnet und die Männer kontrollierten sich
gegenseitig. Floh ein Krieger vor dem Feind, mussten auch die anderen
neun sterben. Mit der Übergabe von Pferdehaaren, ein Haar von jedem
Pferd eines jeden Soldaten, schworen die Armeeführer dem Khan
bedingungslosen Gehorsam. Aus diesen Pferdehaarbündeln entstand die
Schwarze Standarte, das neue Feldzeichen der Mongolen. Diese Standarte
wird noch heute als wichtiges nationales Symbol im
Verteidigungsministerium in Ulan Bator aufbewahrt. Die Schlagkraft
der neuen Armee beruhte auf ihrer strengen Disziplin, ihrer Wendigkeit
auf den zähen und ausdauernden Pferden, ihren Waffen und ihrer
ausgefeilten Gefechtstaktik. Jeder Reiter führte zwei bis drei Pferde
mit sich und konnte durch die damit immer gegebene Austauschmöglichkeit
in kürzester Zeit große Entfernungen zurücklegen. Dabei machten sie
unterwegs nur Rast zum Essen und Schlafen. Als Proviant führten die
Kämpfer u. a. getrocknetes Fleischpulver (Borts) in am Sattel
befestigten Kuhblasen mit sich. Borts ist leicht transportabel und
praktisch unverderblich, und wird wie eine heutige Tütensuppe in heißem
Wasser aufgekocht. Mit dieser energiespendenden und nahrhaften
Verpflegung konnten sie sich monatelang selbst versorgen. Alle
Mongolen waren von Kind an gute Reiter und Bogenschützen, und die Jagd
galt ihnen als die Schule des Krieges. Ihre Hauptwaffe war ein
besonderer Kompositbogen. Sie führten immer mehrere Bögen und viele
Pfeile mit geschmiedeten Eisenspitzen mit sich. Die Kompositbögen
verliehen den abgeschossenen Pfeilen eine solche Durchschlagskraft,
dass sie u. a. auch Kettenhemden durchschlugen. Durch die Verwendung
von Steigbügeln konnten sie Pfeile auch nach hinten abschießen
(Parthisches Manöver). Eine häufig angewandte Gefechtstaktik bestand
aus einem kurzen Angriff mit anschließend vorgetäuschtem Rückzug, um
die verfolgenden Feinde in einen Hinterhalt zu locken. Auf einer
höheren Ebene wurde versucht, die feindliche Armee ganz oder in Teilen
einzuschließen und zu vernichten. Dieser Ansatz und die dafür nötige
Organisation leiten sich vermutlich von Erfahrungen mit der Kesseljagd
in der Steppe ab. Chronologie
- 1155, 1162 oder 1167: Geburt des Temudschin.
- 1190: Temudschin einigt die mongolischen Sippen und unterwirft andere Steppenvölker.
- 1201: Sieg über Gurkhan Dschamucha.
- 1202: Sieg über die Merkiten und die vier Stämme der Tataren.
- 1203: Sieg über die Keraiten.
- 1204: Sieg über die Naimanen.
- 1206: Ernennung Temudschins zum mongolischen Großkhan Dschingis Khan auf dem Kuriltai an der Quelle des Onon.
- 1207/09:
Unterwerfung der Tanguten und Errichtung eines Heerlagers auf der
chinesischen Seite der chinesischen Mauer für weitere Eroberungszüge.
- 1211: Eindringen in das Gebiet der Jin-Dynastie und Vordringen bis zur Halbinsel Shandong.
- 1215: Einnahme von Peking.
- 1219: Beginn der Tributzahlungen von Korea.
- 1218: Unterwerfung des Kara Khitai-Reiches am Balchaschsee und Freundschaftsvertrag mit dem islamischen Choresmischen Reich.
- 1218:
Kuriltai zum Beschluss eines Rachefeldzugs gegen das Choresmische Reich
nach einem blutigen Überfall auf eine mongolische Karawane und
Ernennung des drittältesten Sohnes Ugedai zum Nachfolger von Dschingis
Khan.
- 1219/20: Sieg in Transoxanien über die Truppen des Choresmischen Schah und Eroberung von Buchara und Samarkand.
- 1220: Dschingis Khan gründet die spätere Stadt Karakorum, Angriffe der Mongolen im Kaukasus und Südrussland.
- 1221:
Sieg über die Truppen des Jelal ad-Din, Sohn des zuvor auf der Flucht
am Kaspischen Meer verstorbenen Sultan Ala ad-Din Muhammad.
- 1223:
Vordringen der mongolischen Truppen unter Jebe und Subotai bis in die
Ukraine und Sieg über die Russen in der Schlacht an der Kalka.
- 1224/25:
Dschingis Khans Rückkehr in die Mongolei und Beginn der Strafexpedition
gegen die Tanguten. Schwere Erkrankung des Khans infolge eines
Reitunfalls.
- 18. August 1227: Tod des Großkhans.
- 1229:
Kuriltai zur Ernennung von Ugedai zum neuen Großkahn getreu der
Vereinbarung von 1218 und zur Aufteilung der unterworfenen Völker und
ihrer Gebiete unter den noch lebenden Söhnen sowie den Nachkommen des
verstorbenen ersten Sohnes Jochi.
Herkunft des Titels Dschingis Khan / Bedeutung Zur
Herkunft und Deutung des Titels Dschingis Khan, auch als Genghis Khan,
Cinggis-Khan, Dschingis-Chan und Djingis Chan bekannt, tauchen in der
Literatur eine ganze Reihe von Theorien auf. Die im europäischen Raum
weit verbreitete Schreibweise Genghis Khan geht auf D’Herbelot zurück,
die von Gibbon übernommen wurde.[4] Die beiden am meisten überzeugenden Erklärungen sind :
- Dschingis
Khan entstand aus der chinesisch-türkischen Zusammensetzung chêng-sze
khan (aus chinesisch chêng-sze: „edler Reiter/Ritter“ und alttürkisch
khan: „Herrscher“) mit der Bedeutung: „Herrscher der edlen Reiter“
- Dschingis
Khan wurde aus dem rein alttürkischen tengis khan (tengis: „Meer“)
gebildet und hätte dann die Bedeutung von: „Herrscher der Meere“,
„Ozeangleicher Herrscher“ oder „Herrscher zwischen den Weltmeeren“
(Weltherrscher).
Überlieferungssituation Die
Geschichte Dschingis Khans und seines mongolischen Großreiches ist uns
vielfältig überliefert. Viele Details aus seinem Leben und der
Nomadenkultur seiner Zeit sind neben legendenhaften Einflechtungen in
der Geheimen Geschichte der Mongolen zu finden, die etwa zehn Jahre
nach seinem Tod von einem oder mehreren Autoren aus seinem engsten
Umfeld aufgezeichnet wurde. Daneben existieren zahlreiche
Aufzeichnungen von Chronisten und Geschichtsschreibern aus China, dem
persischen Raum und natürlich auch aus West- und Osteuropa zur Zeit des
Mongolensturms. Zu den Hauptquellen auch für diese Epoche der
mongolischen Geschichte zählt vor allem die Geschichtsschreibung in
persischer Sprache. Aus Westeuropa sei zum Beispiel der englische
Benediktinermönch, Heraldiker und Chronist Matthew Paris (auch Matthäus
Parisiensis beziehungsweise Matthaei Parisiensis [* um 1200; † 1259)
der großen Abtei St Albans im englischen Hertfordshire mit seiner
„Chronika maiora“ angeführt. Außerdem liefern uns die Erkenntnisse
der zahlreichen archäologischen Grabungen an vielen Orten des
ehemaligen mongolischen Weltreiches mehr und mehr Details zu den
Ereignissen dieser Zeit. Von besonderer Bedeutung sind hier die
bisherigen Grabungsergebnisse auf dem Gelände der ehemaligen
Mongolenhauptstadt Karakorum. Nach älteren Erkundungen von Sergej
Kiselev in den Jahren 1948/1949 graben dort seit dem Jahr 2000
Archäologen vom Deutschen Archäologischen Institut Bonn unter der
Leitung von Hans Georg Hüttel und Ernst Pohl vom Institut für Vor- und
Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bonn zusammen mit
mongolischen Wissenschaftlern im Bereich des vermuteten Khanpalastes
und des Handwerkerviertels im ehemaligen Stadtzentrum.
Rezeption in Film und Literatur Die Person Dschingis Khans und sein Leben wurden mehrfach in Filmen verarbeitet, unter anderen in
- Der Eroberer (1956)
- Dschingis Khan (Monumentalfilm von 1965)
- Der Mongole (2007)
Ebenso findet er sich als Themenvorlage in der Science-Fiction-Literatur wieder:
- Dschingis Khan, Herrscher des Himmels (Buch von Pamela Sargent)[5]
Einzelnachweise
- ↑ Fernsehsender Phoenix: Mongolen – Im Reich des Dschingis Khan vom 11. August 2007 (16.15–17.00 Uhr)
- ↑ http://ias.berkeley.edu/orias/lessonplans/ChingisKhan.htm#fn3 u. a. Geburts- und Sterbedaten
- ↑
Zerjal u.a.: The Genetic Legacy of the Mongols. In: American journal of
human genetics(AJHG). Chicago 72. S.717–721. ISSN 0002-9297
- ↑ Clements Markham Narrative of the Embassy of Ruy Gonzalez De Clavijo to the Court of Timour, at Samarcand, Vorwort Seite xi
- ↑
Pamela Sargent: Dschingis Khan, Herrscher des Himmels, Aus dem
Amerikan. von Birgit Oberg, Bastei Verl. Lübbe, Bergisch Gladbach 1998,
ISBN 3-404-12879-6
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Text
aus Wikipedia (18.02.2010)
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