Begrüßung: Michael Günther,
1. Vorsitzender Kunstverein Konstanz
Grußworte: Seine Exzellenz
Dr. Damba Ganbat, Botschafter der Mongolei
Dr. Andreas
Osner, Kulturdezernent der Stadt Konstanz
Einführung: Dr. Dolores
Claros-Salinas, Kunstverein
Konstanz
Otgonbayar Ershuu,
der sich als Künstler OtGO nennt, ist ein Maler fragiler Miniaturen,
die auf ihrem Malgrund zu erstaunlichen Groß-, ja Riesenformaten
anwachsen. Die Einordnung dieser Malerei gelingt mit gängigen
Kategorien nicht recht – am ehesten scheint die Bezeichnung der
Hybridmalerei zuzutreffen, wie sie Ulrike Lorenz, seit kurzem Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar,
vorschlug und damit Phänomene kultureller Überschneidung, einer
dynamischen Verarbeitung gegensätzlicher Handlungs- und Denkmuster als
möglichen Ausgangspunkt neuer künstlerischer Perspektiven meint. Als
hybrid ist aber auch die unterschiedliche Wahrnehmungsmöglichkeit zu
beschreiben: In der Nahsicht lassen OtGOS Arbeiten dichte Figurationen
von Mensch und Tier, oft comicartig inszeniert, erkennen, aus einiger
Ferne aber vereinen sich Bilddetails zu flimmernden Texturen, die als
abstrakt-ornamentale Gestaltung wahrgenommen werden. Aus welcher Tradition entsteht ein solches künstlerisches Werk?
Zunächst
ist es die historische Lebensweise der Mongolen als Nomaden, die bis in
die Gegenwart prägend ist. Für die Reiterheere unter Dschingis Khan,
der im Übergang vom 12. zum 13. Jahrhundert ein Weltreich ungeheuren
Ausmaßes eroberte, war die nomadische Lebensweise ein Kern ihrer hohen
Mobilität, mit der sie bis in europäische Gebiete vorstießen. Bei
aller Gewalttätigkeit dieser Feldzüge finden sich Hinweise, dass
Dschingis Khan Bevölkerungs¬schichten schonte, deren berufliche
Fertigkeiten das Fortbestehen eroberter Gebiete sicherten, wie
Verwalter, Architekten - und auch
Künstler.
Die
nomadische Lebensweise bestimmte aber auch Formen des künstlerischen
Schaffens der Mongolen: bei der Notwendigkeit fortwährender
Ortswechsel, des schnellen Auf- und Abbaus waren es kleinformatige
Kunstwerke, Miniaturen, die bereits ab dem 13. und 14. Jahrhundert,
d.h. schon in mongolisch-vorbuddhistischer Zeit eine Blütezeit erlebten.
Mit
der mongolischen Geschichte um Dschingis Khan, in der nachsowjetischen
Zeit längst eine nationale Identifikationsfigur, ist OtGOS Werk aber
auch in ganz anderer Weise verknüpft: es ist OtGO, der ein 800-jähriges
Literaturzeugnis seiner Heimat, die „Geheime Geschichte der Mongolen“,
ein um das Leben des Großkhans kreisendes Epos, erstmals ins Bild
setzt: entstanden ist ein rund 3000 Zeichnungen umfassender Comic, eine
langjährige Arbeit, einschließlich intensiver Vorstudien zu
historischen Details, etwa der Waffenarten, der Kleidung, der
Haartracht, die OtGO 2020 vollenden und veröffentlichen möchte
(im Flur haben wir beispielhafte Passagen in Kopie ausgelegt). Eine weitere kulturelle Wurzel, aus
der sich OtGOS Werk wesentlich entwickelte, ist der Buddhismus in
seiner mongolischen Ausprägung: die sich von Indien ausbreitenden
Lehren Buddhas erreichten die Mongolei Ende des 16. Jahrhunderts und
verschmolzen mit bis dahin vorherrschenden Naturreligionen zu einer
besonderen tantrisch-lamaistischen Strömung. Die Thangka-Malerei,
in der sich OtGO nach seinem Kunststudium in Ulan Bator auf seiner
Studienreise durch die Mongolei unterweisen ließ, lässt in
ikonographischer Strenge Bilder entstehen, auf denen Buddhas,
Bodhisattvas oder Mandalas zu Meditationszwecken dargestellt werden.
Die für mongolische Thangka-Malerei typischen Miniaturen entstehen bei
natürlichem Licht, ohne jedes Hilfsmittel wie etwa eine Lupe – 600
dieser streichholz-schachtelgroßen Kunstwerke hat OtGO erarbeitet.
„Thangka-Malerei bedeutet, dass der Geist malt und nicht die Hände -
wie Meditation, die ihm neue Kraft und Energie verleiht“, fasst OtGO
diese prägende Erfahrung zusammen.
Im
tibetischen Raum ist Thangka-Malerei oft an die Form des Rollbilds
geknüpft. Ein Rollbild ist auch Zentrum unserer Ausstellung, ein Werk,
das erfahrbar macht, wie OtGO sich konsequent weiterentwickelte und
seine künstlerischen Mittel zeitgenössisch zu adaptieren weiß: „HUN“,
mongolisch für „Menschen“, 660 × 217 cm, Acryl auf Leinwand, entstand
in den Jahren 2010 –2012. Statt buddhistischer Gottheiten werden also
Menschen dargestellt, nackte, bunte Leiber, in kräftigen, frischen
Tönungen, die in mehreren, dickichtartigen Bildschichten übereinander
dargestellt und in einer dynamischen Sogbewegung ineinander verwoben,
verknotet, verschlungen sind. Auch viele, unterschiedliche Tiere sind
eingearbeitet, in feiner schwarzweißer Zeichnung, die Haustiere meist
in freundlicher Nachbarschaft zum Mensch, die Wildtiere hingegen oft in
den Hintergrund gedrängt und in konflikthafter Auseinandersetzung um
freien Raum kämpfend. Über drei Jahre hinweg hat OtGO an diesem
Kunstwerk gearbeitet, in einer ritualisierten Arbeitsform, die wie eine
intensive Meditationsübung wirkt: jeden Mittwoch hat sich OtGO von
allen sonstigen Verpflichtungen befreit, in aller Morgenfrühe begonnen
und über Stunden ohne Vorskizzierungen in höchster Konzentration, sich
immer mehr vom eigenen Willen, allen Leidenschaften lösend auf dem
Boden über der Leinwand liegend gemalt. OtGO arbeitet stets an mehreren
Werken parallel und schon als 18-jähriger hat er seine malerische
Aktivität fein strukturiert: der Arbeit „1000 Menschen Miniature“,
zu sehen im Flurbereich, eine seiner ersten frei entworfenen Arbeiten,
hat er jeden Tag nur zwei winzige menschliche Figuren hinzugefügt – die
Vielzahl und Besonderheit menschlicher Darstellung, die diese Arbeit am
Ende ausmacht, können Sie mithilfe einer Lupe erkunden, entstanden ist
„Die Kunst der Liebe“, wie die Arbeit im Untertitel auch heißt,
zwischen 1999 und 2002 ohne jegliches Hilfsmittel.
In
seiner für den Kunstverein Konstanz konzipierten Ausstellung zeigt
OtGO, der vielfach ausgezeichnete und international agierende Künstler,
auch neueste Arbeiten und erweitert dabei sein eigenständiges, zwischen
östlicher Maltradition und westlicher Bildsprache changierendes
Werk: im „Triptychon Unendlich“ überlagern numerische
Zeichen und komplexe, technisch anmutende Linienführungen die gewohnten
Darstellungen von Mensch und Tier, hier die im mongolischen
Gründungsmythos fest verankerte Hirschkuh, und lassen Darstellungen
menschlicher Körper nur noch in blassen Umriss-Skizzen zu, die an die
längst von digitalen Codes beherrschte Oberfläche drängen. Für
OtGO, der mit seinen künstlerischen Mitteln zunehmend auf kritische
Veränderungen unserer Lebenswelt reagiert, reflektieren diese
Ziffer-Reihungen die digitale Dominanz, die Überfülle an Informationen
in vielen alltäglichen Lebensbereichen, in denen es immer mehr an
tiefgründigem Wissen, an Konzentration auf wesentliche, spirituelle
Inhalte mangele. „Unendlich“, der Titel seiner Konstanzer Ausstellung,
scheint damit nicht nur den ungeheuren Detailreichtum der
künstlerischen Darstellung zu fassen, sondern ebenso die Dimension
digitaler Überformung, der möglichen Reduktion von Geist und Glauben
auf eine Ziffernfolge.
Diese
Thematik bestimmt auch die Einrichtung unseres kleinen Oberlichtsaals:
hinter Gitterstrukturen und langziffrigen, goldglitternden Codes treten
uns in dichter Hängung 12 menschliche Schemen entgegen, nackte Körper
in Lebensgröße, deren Individualität, und sei es nur ihr Geschlecht,
ungewiss bleibt.
Eine
sakrale Verdichtung erfährt auch unsere Flurgalerie, allerdings in ganz
anderer Stimmlage: sechs Kirchenfenster öffnen die Wand und nehmen eine
Verbindung zum nahen Münster auf, die in licht-bunten Farben
dargestellte Unterwasserwelt, voll schwebender Taucher, vielarmiger
Kraken und funkelnder Lichtreflexe, fügt der Vorstellung „unendlich“
eine heiter-optimistische Färbung bei. Lieber OtGO, bayarlalaa, danke für diese Ausstellung und herzlichen Glückwunsch!
Kunstverein Konstanz e.V. Wessenbergstr. 39 / 41 D - 78462 Konstanz T + 49 (0
)7531 / 22 341 F + 49 (0) 7531 / 22 358
Sie erreichen die Räume des Kunstvereins über den Haupteingang des
Kulturzentrums. Die Ausstellungsräume befinden sich im ersten Stockwerk.
Öffnungszeiten: Dienstag
- Freitag / 10 - 18 Uhr Samstag + Sonntag / 10 - 17 Uhr
OtGOS Wurzeln
liegen in einer fernen Region, dünn besiedeltes Steppen- und
Wüstenland, historisch vermittelt durch die Eroberungszüge Dschingis
Khans im 13. Jh. und in ihrem Kunstschaffen seit dem 17. Jahrhundert
ein herausragendes Zentrum buddhistischer Kunst: der Mongolei.
1981 in
Ulan-Bator geboren, studierte OtGO traditionelle mongolische Malerei in
seiner Heimatstadt, um sich anschließend in einer intensiven Phase des
Selbststudiums, nomadisch von Kloster zu Kloster reisend, die
buddhistische Kunst der Miniaturmalerei anzueignen. „Thangka-Malerei
bedeutet, dass der Geist malt und nicht die Hände - wie Meditation, die
ihm neue Kraft und Energie verleiht“, so fasst OtGO diese prägende
Erfahrung zusammen.
Seit 2005 in
Berlin lebend, hat OtGO seine künstlerischen Wurzeln, u.a. durch ein
erneutes, 2010 mit dem Mastertitel abgeschlossenes Kunststudium,
konsequent weiterentwickelt und zeitgenössisch adaptiert. Er gilt damit
als der bedeutendste Maler der sich immer weiter modernisierenden
Mongolei und zugleich als wichtiger Vertreter einer
kulturenübergreifenden Weltkunst.
Seine
großformatigen Gemälde sind als Miniaturmalerei angelegt, in mehreren,
dickichtartigen Bildschichten übereinander finden sich Abbildungen von
Menschen und Tieren, die wie in einer Sogbewegung dynamisch ineinander
verwoben sind. Farblich sind OtGOS Arbeiten meist in kräftigen,
frischen Tönungen gestaltet, dabei aber beschränkt auf nur jeweils zwei
oder drei Farben, die in variantenreichen Schattierungen ausgeführt
werden – und dennoch mitunter fast monochrome (Fern-)Wirkungen
erzeugen. OtGOS Arbeiten entziehen sich eindimensionalen
Betrachtungsweisen: die Detailsicht seiner Miniaturen lässt comicartige
Figurationen erkennen – unabhängig von diesen für sein Werk zentralen
Malereien hat OtGO tatsächlich ein etwa 3000 Zeichnungen umfassendes
Comicwerk erschaffen, das ein 800-jähriges Literaturzeugnis seiner
Heimat, die „Geheime Geschichte der Mongolen“, erstmals ins Bild setzt.
Neben der grundsätzlich figurativen Anlage seiner Werke aber bringen
schon die teilweise riesigen Bildformate (vgl. etwa „HUN“, mongolisch
für „Menschen“, 660 × 217 cm, Acryl auf Leinwand, 2010–2012), bei denen
Bilddetails sich zu flimmernden Texturen vereinen, auch abstrakte
Malkonzeptionen zum Vorschein.
In seiner für
den Kunstverein Konstanz konzipierten Ausstellung wird OtGO, der
vielfach ausgezeichnete und international agierende Künstler, auch
neueste Arbeiten zeigen und dabei in sein eigenständiges, zwischen
östlicher Maltradition und westlicher Bildsprache changierendes Werk
einführen. Gerade seine neuesten Arbeiten, die numerische Zeichen und
komplexe, technisch anmutende Linienführungen in die dichte,
detailreiche Malweise einarbeiten, zeigen, wie sehr OtGO sich mit
gegenwärtigen Entwicklungen unserer Lebenswelt auseinandersetzt. Die
Reihungen von Zahlen, in unterschiedlichem Größenformat, horizontal wie
senkrecht angeordnet, reflektieren, so OtGO, die digitale Dominanz, die
Überfülle an Informationen in vielen alltäglichen Lebensbereichen, in
denen es immer mehr an tiefgründigem Wissen, an Konzentration auf
wesentliche, spirituelle Inhalte mangele. „unendlich“, der Titel seiner
Konstanzer Ausstellung, scheint damit nicht nur den ungeheuren
Detailreichtum der künstlerischen Darstellung zu fassen, sondern ebenso
die Dimension digitaler Überformung, der möglichen Reduktion von Geist
und Glauben auf eine Ziffernfolge.
Das
Begleitprogramm zur Ausstellung orientiert sich in besonderer Weise an
den mongolischen Wurzeln des Künstlers: „Kino im Kunstverein“
präsentiert „Johanna d‘Arc of Mongolia“, einen Film von Ulrike
Ottinger, der gebürtigen Konstanzerin und Trägerin des Konstanzer
Kunstpreises (So, 13.10., 19 Uhr). Ein außergewöhnlicher
Höhepunkt wird die Begegnung des malerischen Werks OtGOS mit einer der
herausragendsten Musikerinnen der Inneren Mongolei sein: URNA
Chahar-Tugchi (Sa, 05.10., 20 Uhr). URNAS Instrument ist ihre Stimme,
mit der sie, aus einer Familie nomadischer Hirten stammend, die
flirrende Weite der heimatlichen Steppenlandschaft, deren mystische
Verwurzeltheit hörbar macht. URNAS vier Oktaven umfassende Stimme ist
dabei von einer unvergleichlichen Authentizität, variantenreich und
klar. URNA, inzwischen auch in Deutschland beheimatet, ist eine
Weltmusikerin von Rang, die national, etwa in der Hamburger
Elbphilharmonie, wie international auftritt und mit Preisen wie dem
Ruth Prize als beste internationale Künstlerin ausgezeichnet wurde. Bei
ihrem Konstanzer Konzert tritt URNA gemeinsam mit Oli Bott auf, einem
ebenfalls vielfach ausgezeichneten Berliner Jazz-Vibraphonisten und
-komponisten, der in verschiedenen Orchesterformationen, u.a. dem
zwölfköpfigen „Oli Bott Orchestra“, beteiligt ist und auch als Dirigent
wirkt.
Eröffnet wird
die Ausstellung am 20.9., 19 h, als Ehrengast wird der Botschafter der
Mongolei, Seine Exzellenz Dr. Damba Ganbat, erwartet, der mit einem
Grußwort in diese besondere Präsentation außereuropäischer
Gegenwartskunst einführt.
Mit seiner
Präsentation des mongolischen Malers OtGO weitet der Kunstverein
Konstanz ein weiteres Mal den Blick auf außereuropäische Kunst.
Ein außergewöhnlicher Höhepunkt dieser Ausstellung wird die Begegnung
des malerischen, buddhistisch beeinflusstem Werks OtGOS mit einer der
herausragendsten Musikerinnen der Inneren Mongolei sein: Urna
Chahar-Tugchi.
Urnas Instrument
ist ihre Stimme, mit der sie, aus einer Familie nomadischer
Hirten stammend, die flirrende Weite der heimatlichen
Steppenlandschaft, deren mystische Verwurzeltheit hörbar macht. Urnas
vier Oktaven umfassende Stimme ist dabei von einer unvergleichlichen
Authentizität, variantenreich und klar.
Urna, inzwischen
auch in Deutschland beheimatet, ist eine Weltmusikerin von Rang,
die international auftritt und mit Preisen wie dem Ruth Prize als beste
internationale Künstlerin ausgezeichnet wurde.
Begleitprogramm:
Konzert
der mongolischen Sängerin URNA Chahar-Tugchi feat. Oli Bott Sa, 05.10.19, 20
Uhr
Konzert
im Rahmen des 40. Konstanzer Jazzherbstes „Impro Werkstatt“ Fr, 25.10.19, 20
Uhr
Kammerkonzert
der Südwestdeutsche Philharmonie Do, 14.11.19, 19
Uhr
Kino
im Kunstverein „Johanna d‘Arc of Mongolia“, ein Film von Ulrike Ottinger So, 13.10.19, 19
Uhr
Führungen: Öffentliche
Führungen Do, 26.09.,
16.30 Uhr / So, 20.10., 11.30 Uhr / Do, 07.11., 16.30 Uhr / So, 24.11.,
11.30 Uhr / weitere auf
Anfrage
Gerne weisen wir
auf Das Allensbacher Mühlenweg
Museum hin, das dem bekannten Schriftsteller, Maler und
Mongolei-Reisenden Fritz Mühlenweg (1898 - 1961) gewidmet ist. www.mühlenwegmuseum.de
Kunstverein
Konstanz e.V. Wessenbergstr.
39 / 41
D - 78462 Konstanz T + 49 (0
)7531 / 22 341
F + 49 (0) 7531 / 22 358
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Kulturzentrums. Die Ausstellungsräume befinden sich im ersten Stockwerk.
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Samstag + Sonntag / 10 - 17 Uhr